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Wir werden und können nicht – was können wir tun?

Angela Merkel hat von ihrem Abstecher zur Fußball-WM nicht nur einen Tripper – den sie sich in der Umkleidekabine der deutschen Nationalmannschaft zugezogen hat – mit nach Hause gebracht, sondern auch die umstrittene Torlinientechnologie. Da die Herren und Herrinnen Abgeordneten den Rednern leider nicht zuhören können, weil sie viel zu sehr mit Twitter, Facebook, in der Nase bohren oder Abwesenheit beschäftigt sind, war es bislang nämlich in den seltensten Fällen möglich, einen klaren Sieger der Debatten zu bestimmen. Um diese vollkommene Nebensächlichkeit zukünftig besser handhaben zu können, installierten Techniker während einer Plenarsitzung Videokameras im Deutschen Bundestag, die irgend einen Sinn in den Reden erkennen sollten. Hier nun die strittigsten Momente aus Sicht der Torkamera:



„Wir werden und können den dort skizzierten Weg so nicht mitgehen. Angesichts der Aufgaben, vor denen wir stehen, darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es gibt eine fachliche und eine politische Dimension. Die fachliche Dimension besteht darin, dass man keine Maßnahmen ergreifen darf, die am Ende negative Effekte für die Menschen, um die es uns geht, haben werden. (…) Man muss auch beachten, dass man am Ende politische Wege suchen muss. Auch da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“

In gewohnter Spiellaune umdribbelt Tika-Taka-Experte Dr. Carsten Sieling jegliche klare Aussage, die zu einem Treffer führen könnte. Dabei vermeidet der „Dimensionator“ – wie Sieling mannschaftsintern genannt wird – Steilvorlagen, um sich und seinen Mitspielern unnötige Laufwege zu ersparen. Aber um punkten zu wollen, reicht es nicht alleine, das Kind ohne das Bad ausschütten zu wollen. Denn was ist ein Tor schlussendlich anderes, als ein negativer Effekt für die Menschen, die es betrifft?



„Was können wir tun, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren? Im Osten? In Afrika? Tun wir alles, um unseren Beitrag zum Frieden zu leisten? Was müssen wir tun gegen den Terrorismus? Denn er ist da, und er wird in seiner Brutalität nichts einbüßen, wenn wir uns einigeln. Interessieren wir uns überhaupt für manche Gegenden dieser Welt? Engagieren wir uns humanitär und militärisch ausreichend dort, wo unsere Stärken liegen, nämlich in der Konfliktprävention, in der Mittlerrolle, als Scharnier zwischen Mächten, als Scharnier, das Krieg vermeidet? Diese Fragen sind vielschichtig, und wir haben keine eindeutigen Antworten.“

Dr. Karl-Heinz Brunner, den seine Mannschaftskameraden liebevoll „das Schwaben-Scharnier“ nennen, ist bislang nicht gerade als Torjäger des SP Deutschland in Erscheinung getreten. Sein Zufallstreffer ist deshalb einzig und allein dem Umstand geschuldet, dass er alle Bälle gleichzeitig aufs Tor schoss, derer er im Stadion habhaft wurde. Leider durfte das Tor trotz des Videobeweises nicht gegeben werden, da nicht mehr rekonstruiert werden konnte, ob es sich bei dem betreffenden Ball (2.v.r.) tatsächlich um das regelkonforme Spielgerät handelte oder im Osten oder in Afrika.



„Wir alle wollen letztlich dasselbe: Wir wollen den Frieden in der Welt erhalten. Wir danken den Menschen, die für andere Menschen da sind. Wir wollen alles tun, damit wir möglichst wenigen Menschen Grund geben, ihr Leben bei uns leben zu müssen, weil ihres in der Region, in der sie leben, unerträglich geworden ist, zum Beispiel in Nigeria.“

Der Catenacciostratege Dr. Hans-Peter Uhl weiß, wie man afrikanische Mannschaften knackt. Man muss den Ball vom eigenen Strafraum fernhalten, denn wir wollen ja nicht irgend so einen dahergelaufenen nigerianischen Horst Hrubesch grundlos zum Toreschießen einladen. Auf der Grafik ist deshalb auch kein Ball zu sehen. Tatsächlich ist der Ball noch nicht einmal in der deutschen Hälfte, da er – ebenso wie das nigerianische Team – aus guten Gründen und natürlich im Sinne des Fairplays in der gegnerischen Hälfte (oder alternativ auch in der Hölle) festgehalten wird. Dafür danken wir dir, Dr. Hans-Peter Uhl!



„Die Auswirkungen der einzelnen Regelungen in der Praxis sind nicht immer präzise vorhersagbar. Von daher ist es wichtig, dass der Gesetzgeber flexibel reagiert. Das Wort „Nachbesserung“ ist in diesem Zusammenhang kein Schimpfwort. Vielmehr wollen wir das Ganze evaluieren, also überprüfen, wie es wirkt, und an den entsprechenden Stellschrauben drehen, wenn wir erkennen, dass Nachbesserung notwendig und möglich ist.“

Taktikfuchs Manfred Zöllmer hat sich zwar den Ball auf seine Schokoladenseite gelegt und mit links ein Gesetz aus der hohlen Hand geschüttelt, das den Ball in vollem Umfang über die Linie gedrückt haben sollen könnte – ob es sich hierbei allerdings wirklich um einen Treffer handeln würden möchte, kann die Torlinientechnik nicht abschließend beurteilen, da der Platzwart die Torlinie noch gar nicht gezogen hat.



„Am Ende entscheidet immer der Verbraucher und nicht der Staat; so wollen zumindest wir das.“

„Tor! Tor! Tooooor!“, wie Walter Spahrbier bereits 1954 anlässlich Fritz Adenauers ergreifender Berner Wankdorf-Rede getwittert hatte. In diesem Fall handelt es sich allerdings leider um ein klassisches Eigentor, da Mechthild Heil, die Flügelflitzerin von Christlich United, offensichtlich völlig übersehen hat, dass der Verbraucher die Startaufstellung der Regierungsmannschaft zu verantworten hat und somit entscheidet, wer auf dem Platz den Ton angibt. Sonst könnten ja gleich elf Andy Möllers in der Kabine bleiben und vor sich hinmemmen. Oder schlimmer noch, eine Mechthild Heil könnte die Ballannahme verweigern, weil sie nicht bereit wäre, sich vorher aus dem logischen Dauerabseits herauszubewegen.

Schlussendlich hat sich die Torlinientechnik im Deutschen Bundestag nicht bewährt. Im Einzelnen konnte zwar nachgewiesen werden, dass umjubelte Treffer sich im Nachhinein als völlige Torkrepierer entpuppten. In mehr als 80% aller Fälle versagte die Kameratechnologie jedoch auf ganzer Linie, weil sie während der schnarchigen Reden eingeschlafen war.

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