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Das schönste Gesicht des Liberalismus

Interview mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck

Herr Gauck, welche Bilanz ziehen Sie nach Ihrer fünfjährigen Amtszeit?

Wenn ich mir Deutschland, anschaue, stelle ich fest: Es ist seit Jahrzehnten so stabil, friedlich und wohlhabend, wie es keine Generation vor uns erlebt hat. Das ist nicht zuletzt – widersprechen Sie mir ruhig – auch mein Verdienst.

Wie würden Sie Ihr Credo in einem Satz zusammenfassen wollen?

Kein Friede ohne Freiheit und keine Freiheit ohne Frieden. Quasi eine friedliche Freiheit in Sicherheit. Denn ohne Sicherheit keine Freiheit. Und keinen Frieden. Also einen sicheren Frieden in Freiheit. Und hierbei unterstreiche ich die Wichtigkeit einer liberalen Freiheit im Sinne eines freiheitlichen Liberalismus. Dafür lohnt es sich, jeden Tag aufs Neue friedlich zu kämpfen.

Was würden Sie Ihrem Nachfolger für einen Rat mit auf den Weg geben wollen?

Ich kann Frank-Walter Steinbrück nur …

Steinmeier.

Wie bitte?

Ihr Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten heißt Frank-Walter Steinmeier.

Von mir aus. Soll er doch meinetwegen Frank-Walter heißen. Also ich kann dem Herrn Steinbrück versichern, dass ich ihm ein wohlgeordnetes Präsidialamt hinterlassen werde und dass er mir nur nacheifern muss, um zumindest ansatzweise meinen Beliebtheitsgrad zu erreichen.

Obwohl Sie während Ihrer Amtszeit unermüdlich die Vorteile einer globalisierten Welt anpreisten, scheinen sich viele Menschen offensichtlich immer mehr in die „guten, alten Zeiten“ der Nationalstaatlichkeit zurücksehnen. Können Sie diese Menschen verstehen?

Man muss doch mal fragen dürfen: Hat ein Bundespräsident nicht das selbe Recht, sich vor der Globalisierung zu fürchten, wie der gemeine Pöbel? Die Lösungen, die ich parat habe, sind die Antworten auf ein Unrechtsregime, das bereits seit fast dreißig Jahren Geschichte ist. Sie sind aber so herzerfrischend banal, dass es niemandem auffällt, wenn ich den Salm von 1989 einfach immer wieder aufwärme. Hand aufs Herz: Was wusste ich von Europa? Mein Europa erstreckte sich gerade mal vom Balaton bis Warnemünde. Was wusste ich von der Migrationsproblematik? Den einzigen Ausländer, den ich kannte, war der Fidschi an der Ecke, dem ich hin und wieder mal eine Stange Zigaretten für unseren Bibelkreis abgekauft hatte. Und heute muss ich mitansehen, wie die Moschee nebenan meine Kirche um zehn Meter überragt. Sie dürfen mir glauben: Ich bin in meinem stillsten Kämmerlein beunruhigt. Doch auf dem Glatteis des Bundespräsidialamts musste ich immer das schönste Gesicht des Liberalismus verkörpern. Ich musste das Tischtuch der politischen Ausgewogenheit ausbreiten, wo andere mit der Faust auf den Tisch hauen. Und es da wieder mühsam zusammenflicken, wo andere es skrupellos zerschnitten hatten. Wo Probleme weggelächelt werden mussten, war ich der Grinsekater. Und wo Probleme verneint werden mussten, war ich der Wackeldackel.

Das klingt ziemlich verlogen. Zahlreiche Bürger scheinen „denen da oben“ nicht mehr zu glauben. Was sagen Sie denen, warum Sie Ihnen vertrauen sollten?

Wer hat denn während der friedlichen Revolution in der DDR bereits mit einer halben Arschbacke eingesessen? Etwa die Bohley? Oder der Eppelmann? Wer hatte denn die Wiedervereinigung im Alleingang zu stemmen? Wer hat denn den Augiasstall hinterher ausgemistet? Und kaum bin ich Bundespräsident, beschimpfen mich die selbsternannten Leute bei der Wiedervereinigungsfeier auch noch als „Vaterlandsverräter“ und „Merkelfotze“.

Aber heißt es nicht in Matthäus – Kapitel 5: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“?

Es steht dort aber auch geschrieben:: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.“

Wollen Sie Ihren Kritikern Dummheit unterstellen?

Hören Sie, junger Mann, wenn ich Ihnen gestatte, aus der Bibel zu zitieren, sollten Sie mir umgekehrt die Freiheit zugestehen, Ihnen meinen Matthäus auf meine eigene Art um die Ohren zu hauen. Die Freiheit ist immer auch und in erster Linie die Freiheit des Andersdenkenden. Und wer ist denn von uns beiden Pfaffe und Bundespräsident gewesen? Wer müsste es denn eigentlich besser wissen? Schließlich habe ich mit meinem Leben dafür gekämpft, dass nassforsche Journalisten wie Sie nicht mehr verfolgt und eingeschüchtert werden. Wissen Sie, was man mit asozialen Elementen wie Ihnen in der DDR gemacht hat? Aber Dankbarkeit erwarte ich schon lange nicht mehr.

Sie klingen zum Abschied etwas verbittert ...

Fünf Jahre haben mich die alten Seilschaften kaltgestellt und mundtot gemacht. Belvedere ist doch nur ein anderes Wort für Bautzen. Jetzt ist der alte Gauck zurück. Ich lasse mich nicht länger von Political Correctness und Merkeltilismus einschüchtern. Ich werde Auge und Ohr sein und die Nase ungefragt in jede Stasi-Akte stecken, die ich heimlich in meinem Keller gebunkert habe. Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens werde ich sie bekämpfen, die Wiedergänger der stalinistischen Diktatur. Mit Frieden und Freiheit werde ich sie so lange zuscheißen, bis sie sich aufhängen oder freiwillig nach Nordkorea auswandern. Und wenn ich herausfinden sollte, dass der Steinbrück vielleicht doch für die Firma gearbeitet haben sollte, dann werde ich ihn persönlich … also, dann werde ich persönlich ins Schloss Belvedere kommen und … und dann werde ich ihn zur Strafe weiterhin den Wackeldackel spielen lassen.

Herr Gauck, wir danken Ihnen für Ihren Abgang.

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