SCHIEFLAGE - Damit Sie in jeder Lage schief gewickelt sind!
Das Magazin für Kollateralscääden innerhalb der eigenen vier Wände

Grill gut

Jetzt, wo die Englischen Gärten Deutschlands wieder von Millionen grillwütiger Fleischliebhaber belagert werden, ist es Zeit, einen Toast auszubringen auf die 4000 Verunfallten, die der Grillgott Barbikju jährlich als Tribut fordert. Als leichtere Verletzung gelten Verbrennungen ersten und zweiten Grades; in schlimmeren Fällen lassen sich diverse Extremitäten des Unfallnehmers kaum noch vom übrigen Grillgut unterscheiden. Sollte der Verunfallende auch noch unter Alkoholeinfluss seinem Handwerk nachgehen, kann er meistens selbst nicht mehr seine Extremitäten vom Grillgut unterscheiden. Beim Versuch, sie zu wenden, wird er meistens zum Wendeopfer.

Wenn auch das Kochen in der Regel Frauensache ist, achtete der Mann schon seit jeher darauf, sich die Domäne des Grillens zu sichern und zu wahren. Während die Ischen noch auf den Bäumen wohnten, kehrte der männliche Homo sapiens den Macker raus, kokelte mit der verbotenen Himmelsgabe herum und röstete sich seine Kaninchen- und Mammutsnacks auf kleiner Flamme. Da der Mann eigentlich zu dumm zum Zündeln ist, verwundert es kaum, dass Millionen tapferer Grillmeister den Flammentod starben, bevor findige Mönche im Mittelalter eigens ausgebildete Grillfrauen, sogenannte Hexen, zum Feuerentfachen engagierten. Während diese noch auf große Spieße gebunden wurden, entdeckten Landsknechte, dass man die Spieße auch direkt durchs Fleisch bohren konnte und sie kreierten so die Fleischspieße. Deshalb werden Menschen mit einem ausgeprägten Hang zum Grillen auch heute noch „Spießer“ genannt.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde die Variante des Hausgrillens erfunden. Der Nervenkitzel dieser Spielart resultiert aus dem Umstand, dass sich zu den obligatorischen Brandrisiken die Gefahren schwerer psychosozialer Verletzungen bis hin zum Nachbarschaftskrieg gesellen.

Hier einige unbezahlbare Tipps, damit Sie sich ohne Ängste voll und ganz den Sinnenfreuden des Hausgrillens hingeben können.

  1. Das Hausgrillen wird in der Regel durch einen Anschlag am schwarzen Brett bekannt gegeben. Nicht allzu selten handelt es sich hierbei um einen Anschlag auf den guten Geschmack. Zahlreiche bunte Schriften, schlimmstenfalls mit WordArt® gestaltet, ein Foto von Feuerwehrmännern beim Löschen eines Großbrandes, eine garantiert nicht zum Thema passende „Liebe ist ...“-Zeichnung und eine Familienpackung lustiger Smilies suggerieren Ungezwungenheit und Frohsinn und outen den Verfasser dieses epilepsiefördernden Aushangs als den Computerdilettanten, der er eben gerade nicht mehr sein wollte.
    Hier gilt, wie schon seit einem Dreivierteljahrhundert: Wegsehen schützt vor Unannehmlichkeiten. Und tragen Sie sich bloß nicht namentlich in irgend eine Liste ein! Sonst haften Sie für etwaige Schäden und müssen womöglich sogar noch einen Kartoffelsalat mitbringen.
  2. Aus Spaß wird gerne mal Ernst. Achten Sie darauf, dass Sie sich den Rücken freihalten, wenn Sie sich dem Grill nähern und halten Sie ansonsten mindestens eine Körperlänge Abstand zur Feuerstelle ein.
  3. Bitte verzehren Sie nur Ihr eigenes Grillgut und schlagen Sie gutgemeinte Angebote des Grillmeisters aus. Natürlich sieht die Krakauer, die er Ihnen offerieren wird, besser aus als Ihre mickrigen Tofu-Bratlinge, aber erstens wissen Sie nicht – auch wenn Sie es ahnen können – wo die Hand, die eben noch die Wurst auf den Grill geworfen hat, davor als letztes gewesen sein könnte, und zweitens sollten die Flecke seines Hemdes keinen Zweifel daran lassen, dass er täglich mit Keimen und Bakterien verkehrt, die weit unter Ihrem Niveau liegen.
  4. Auch wenn der Nachbarssohn zum wiederholten Mal einen Käfer in Ihren Nudelsalat geworfen oder Ihnen ins Bier gerotzt haben sollte, ist es wenig ratsam, aus der Not eine Tugend und aus Klein-Leon einen anständigen Kinderbraten zu machen. Deutschland ist ein sehr kinderliebes Land; unsere Kleinsten werden nicht verzehrt, höchstens mal vernascht.
  5. Falls Sie einen empfindlichen Magen haben sollten, empfiehlt es sich, während des Essens politische Themen zu meiden. Sie glauben gar nicht, wie viele ethnische Minderheiten wie Türken, Punks oder Fans vom Lokalrivalen der gemeine deutsche Nachbar in seiner Bier- und Bratwurstlaune trotz gestiegener Energiepreise – wenn man’s mal so sagen darf - am liebsten vergasen würde. Sie sollten ihm trotz Ihrer Magenschmerzen unbedingt beipflichten, da ansonsten das Nachbarschaftsverhältnis nachhaltig gestört werden könnte. Und denken Sie dran: der Grillmeister ist in den meisten Fällen gleichzeitig Ihr Blockwart.
  6. Auch wenn es Ihnen als eine gute Idee erscheinen mag, sich über das Fräulein Bea aus dem ersten Stock herzumachen, deren Verlobter sich zur Zeit auf Montage in den Vereinigten Arabischen Emiraten befindet, ist es trotzdem weise, einen anderen Nachbarn den ersten Schritt machen zu lassen, um sich dann der daraus resultierenden Massenschändung anzuschließen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit sollten Sie darauf achten, dass die gesamte Hausgemeinschaft mit drinhängt und die Lokalität des Missbrauchs mindestens zwei Meter von der offenen Feuerstelle entfernt liegt.
  7. Spätestens, wenn der Abend so fröhlich geworden sein sollte, wie es nie so weit hätte kommen müssen, wenn Unschuld heischende Blondinenwitze das Hirn wechseln und Wolle-Petri-Gesänge aus Nachbarkehlen unheilvoll die Abendluft verpesten – spätestens dann sollten Sie Gegenmaßnahmen ergreifen. Der naheliegende Vollsuff mag die Symptome ein wenig lindern, birgt aber die Gefahr, dass Sie die Maßregeln Nr. 1 bis 6 nicht mehr einhalten können. Empfohlen wird daher, ganz schnell wegzulaufen und die Möbel später nachkommen zu lassen. Ein hausumfassendes Sommernachtsmassaker bleibt den Grillprofis vorbehalten, die wissen, wie man das Ganze hinterher als harmlosen Brandunfall tarnen kann.

Wenn Sie diese einfachen Grundregeln beherzigen, sollte es Ihnen ein leichtes sein, die Grillsaison heil zu überstehen, und Sie können sich dann schon wieder auf das Kokeln mit den Christbaumkerzen freuen ...



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