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Beswingte Freundschaften

Freunde sind Menschen, die man niemals belügen sollte. Das dachte ich zumindest, bis ich plötzlich keine Freunde mehr hatte: "Nein, ich finde, euer Kind sieht euch gar nicht ähnlich. Ihr seid doch beides ganz hübsche Menschen ...!" – "Ich würde niemals hinter deinem Rücken über dich lästern, Jens – schließlich will ich ja dein blödes Gesicht sehen, wenn wir über dich lachen ...!" – "Mal ganz ehrlich, Pascal, nachdem was die Justine über dich erzählt hat, kann ich es ja verstehen, dass sie lieber mit mir ins Bett will, als mit so einem Langeweiler wie dir ...!"

Und damals dachte ich noch: "Kopf hoch, du findest an jeder Straßenecke Menschen, die deine Wahrheit besser verkraften können."

Nun fand ich zwar an jeder Straßenecke Menschen, die mir für ein wenig Bares die kleinen Freuden des Lebens zu schenken bereit waren. Aber andauernde Freundschaften wollten sich daraus nicht entwickeln. Inzwischen hatte auch meine Frau durch ihre offensichtlich wenig erfolgreiche "Wenn-du-nicht-zuerst-anrufst-tu’-ich-es-auch-nicht"-Strategie ihre letzten Freunde verprellt, so dass wir Gefahr liefen, zu zweit durchs Leben laufen zu müssen.

Um diesen Ernstfall zu vermeiden, schalteten wir eine Anzeige im Internet: "Humorvoller Er (43) und lebenslustige Sie (39) suchen niveauvolle Freunde zwecks gemeinsamer Theater- Konzert- und Ausstellungsbesuche, sowie Ausflüge und Reisen." Drei Wochen später erhielten wir endlich eine Antwort von einem gewissen nudi-rudi@web.de: "Ich liebe es Nackt zu sein ich meine ich liebe mein Körper und die Welt soll mein nackten Körper auch sehen deswegen liebe ich es wenn mich Leute Nackt Fotografieren mich kann man Nackt beim Schlafen am PC oder überhaupt immer Nackt fotografieren."

Da wir zu wenig gemeinsame Interessen mit Nudi-Rudi teilten, mussten meine Frau und ich uns ins richtige Leben hinaus wagen. Ziel unserer Bemühungen war eine benachbarte Stadteilkneipe. Jeden Abend spähten wir das Lokal aus, um herauszufinden, welche anderen Paare ebenfalls regelmäßig ohne Begleitung aufkreuzten. Nach fünf Wochenenden hatten wir die perfekten Opfer gefunden: beide etwa in unserem Alter, kinderlos, trinkfest und zu hässlich, um beliebt zu sein. Also setzen wir uns dazu und plauderten ein wenig über unverfängliche Dinge wie das Wetter, die Speisekarte und die Krankenkassenbeitragssätze. So gegen elf stellten wir unsere gemeinsame Abneigung gegenüber Herbert Grönemeyer fest und um eins waren wir perDu. Gegen halb zwei fragten wir sie dann, ob sie noch mit zu uns kommen wollten. Zwei Tage später wurden wir aus der U-Haft entlassen, wo wir wegen des Anfangsverdachtes der sexuellen Belästigung einsaßen.

Nach dieser Erfahrung waren wir drauf und dran, die Flinte ins Korn zu werfen. Dann fiel bei uns der Groschen. Wenn das alte, kinderlose, trinkfeste und viel zu hässliche Pärchen unsere Einladung als Swinger-Anmache missverstanden hatte, mussten wir den Spieß nur umdrehen und in den Swingerclub gehen, um Freunde zu gewinnen. Die Reihenfolge stimmte einfach nicht.

Also besuchten wir die "Villa Müllerslust". Meine Frau wollte sich voller Begeisterung gleich mit einem gut gebauten, jungen Spanier anfreunden. Ich sagte ihr, ich checke das, und kam mit ihm ins Gespräch, während er eine junge Buchhalterin in die schwindelerregenden Höhen einer nicht für möglich gehaltenen Ekstase penetrierte. "Nein", sagte ich zu meiner Frau, "der ist nichts für uns. Er hat weder Interesse am Theater noch an Jazz. Aber der schmächtige Deutschlehrer mit der Halbglatze und dem etwas pikanten Hautproblem könnte zu uns passen. Versuch doch mal, mit dem zu verkehren."

Während meine Frau meinem Vorschlag ohne spürbarer Begeisterung nachkam, sprach ich die Partnerin des Lehrers an. Sie hieß Christine und war im öffentlichen Dienst tätig. Ihr streng zurückgekämmtes Haar und ihre Taillenhose "Bauch weg" vom Otto-Versand erregten mich nach DIN 69-0815 nur in überschaubarem Ausmaße. Um nicht gleich am Anfang distanzlos zu erscheinen, nahm ich sie von hinten. "Und?" fragte ich zwischen zwei heftigen Stößen, "erzählen Sie doch mal ein wenig von sich." – "Uaaah – pfff!" antwortete sie. "Aber Sie müssen doch irgendwelche Hobbys haben?" bohrte ich. "Öchsz, hechel!" Ich überlegte fieberhaft, wie ich noch weiter in sie dringen könnte, und beschloss, sie ein wenig zu reizen: "Finden sie das richtig, das Lena für den nächsten Eurovision Song Contest gesetzt ist?" Daraufhin entzog sie sich mir und brüllte mich an: "Sag mal, Kleiner, was soll das hier werden? Woll'n wir ficken oder quatschen?"

Der Abend endete in einem Desaster. Die Freundschaft mit den Schmidtbauers versaute ich durch einen vorzeitigen Erguss, mit den Heinrichs lief so ziemlich alles schief, als meine Frau sich anal verweigerte, und das nette Akademiker-Ehepaar aus dem Nachbarhaus, das wir immer schon mal kennen lernen wollten, war pikiert, weil wir ihre Kinder nicht missbrauchen wollten.

Das war uns eine Lehre, an unserer Technik zu feilen und besser vorbereitet zu sein. Beim nächsten Mal gaben wir den Takt an, denn wir hatten herausgefunden, dass der Augenblick der höchsten Lust auch der Augenblick der höchsten Macht ist: "Na, kommt ihr nächsten Samstag zum Raclette-Essen, oder du jetzt nicht?" Auf diese Weise lernten wir an einem Abend ein Beamten-Ehepaar zum Kniffeln, ein Sado-Maso-Ehepaar für die Wagnerfestspiele und ein schwules Ehepaar fürs gemeinsame Kochen kennen. Am Anfang werden wir ihnen Begierde vorheucheln, dann gehen wir langsam zum Blümchensex über, und zu guter Letzt werden wir ihnen K.O.-Tropfen verabreichen: dann sind sie unsere willenlosen Opfer und wir können alles mit ihnen lassen. Ihnen sogar die Wahrheit sagen. Dann sind wir einfach nur noch Freunde.

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