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Wenn Mutti manchmal baden geht ...

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann setzt sie sich ihre Frisur auf, damit die Haare nicht nass werden, und sie zieht ihren Badehosenanzug an, an dem alles abperlt. Aber meistens, wenn Mutti manchmal baden geht, dann sie sie Angst davor, baden zu gehen. Und dann verharrt sie stundenlang auf dem Toilettensitz, stiert in die unhaivollen Tiefen ihrer Wanne und puhlt sich die Flusen aus ihrem Bauchnabel, aus Angst davor, nassgemacht zu werden, obwohl sie überhaupt kein Wasser eingelassen hat.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann wird das Kind in der Mutti geweckt. Dann denkt sie an längst vergessene Kindertage zurück, in denen sie stundenlang auf dem Töpfchen verharrte und sich die Flusen aus ihrem kleinen Kinderbauchnabel puhlte. Manchmal hat die Mutti von der Mutti die Faxen dicke gehabt und hat Mutti dann einfach in die Wanne gesetzt. Dann fühlte sich Mutti von den riesigen Wannenwänden, die so hoch über ihrer kleinen Kinderfrisur aufragten, regelrecht erdrückt. Und dann forderte sie mit ihrer kleinen, schrillen Kinderpiepsstimme so unhörbar „Freizügigkeit!“, dass die Mutti von der Mutti gar nicht anders konnte, als das Kind mit dem Bade auszukippen.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann steht am Fenster gegenüber ein Spanner, der Mutti dabei filmt, wie sie sich die Flusen aus ihrem Bauchnabel puhlt. Das macht Mutti manchmal richtig böse, und sie würde ihn am liebsten mit den frischgepuhlten Flusen bewerfen, aber dann denkt sie sich: „Vielleicht ist es ganz gut, wenn mich jemand überwacht und ich verwannst bin, nur für den Fall, dass ich in meinem nicht eingelassenen Badewasser ertrinken sollte.“ Außerdem kann Mutti ohnehin nicht so weit werfen.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann setzt sie sich ein Periskop auf den Kopf und singt: „In meiner Wanne bin ich der Kapitän.“ Manchmal spielt sie auch Schiffeversenken. Dann lässt sie irgendeinen leckgeschlagenen Seelenverkäufer effdepe auf dem Wasser herumdümpeln, krempelt sich die Ärmel hoch und zaubert einen riesigen Eisberg hervor, indem sie in ihre Hand ins Wasser taucht.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann macht sie meistens Männerbekanntschaften. Früher waren es lieber Aale, aber als sie sich neulich den Große-Zehenzwischenraum schrubbte, genosse sie den G., mit dem sie dann eine kleine Meerheit zeugen wollte. Als Mutti manchmal baden ging, bekam sie trotzdem ihre Wahltage und das mal wieder nicht eingelassene Badewasser färbte sich rot. Dafür läuft der G. jetzt mit einem dicken Bauch herum und wartet darauf, dass Mutti ihn mit dem Kind seiner Selbstliebe sitzen lässt und die Alimente zu zahlen vergisst.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann lässt sie lieber andere für sich baden gehen. Dann sticht den G. der Seehafer, und er streitet sich mit dem Bademeister von der christlich-sozialen Seefahrt darüber, wessen Schniepel länger sei, während Mutti gelangweilt auf dem Toilettensitz verharrt und zuschaut und die beiden mit den Flusen aus ihrem Bauchnabel bewirft. Wenn's ihr dann zu dicke wird, taucht sie die Loriot-Epigonen so lange unter Wasser, bis sie versprechen, die ganze Suppe auszulöffeln und die Quietscheente aufzuessen, und dann hat die liebe Seele ihre Ruh.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann lässt sie einen fahren und stellt sich vor, ihre Wanne sei ein Deluxe-Whirlpool. Wenn die warmen Winde aufflauen, dann holt sie das Bügelbrett hervor und surft auf der Welle ihres darmperistaltischen Erfolges, während sie gleichzeitig alle frisch gewaschene Schmutzwäsche sauber abbügelt.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann zieht es sie im Sommer nischt wie raus zum Wannensee. Dann macht sie in FKK, setzt sich ihre Frisur ab, zieht sich ihren Badehosenanzug aus und betreibt Nabelschau. Mutti hat kein Problem damit, sich nackig zu machen, denn wo nichts ist, braucht man auch nichts verbergen, und einer nackten Mutti kann man ja bekanntlich auch nicht auf der Tasche liegen. Der Spanner von nebenan winkt ihr aus der Ferne zu und freut sich über so viel Freizügigkeit.

Wenn Mutti manchmal baden geht, dann wird’s ihr im Winter kalt, so ganz ohne Wasser in der Wanne. Dann strullert sie rein und rekelt sich in ihrer eigenen Brühe, die für sie verdammt noch mal nach großer, weiter Welt duftet. Damit düngt sie ihre blühenden Unterwasserlandschaften, jenes verlorengegangene Atlantis jenseits des Currywurstäquators, mit all seinen versunkenen Dörfern und Schicksalen und Legenden, die sie allesamt mit ihrem dicken Hintern plattgesessen hat. Doch bevor sich ihre zarte Kohlhaut zu kräuseln beginnt, zieht sie den Stöpsel, und der ganze Bodensatz wird in den Strudel der Geschichte gerissen und verabschiedet sich mit einem satten „Glucks“, während Mutti sich die Achselhaare frisiert.

Wenn Mutti manchmal baden geht, wenn sich ihre Frisur aufsetzt, damit die Haare nicht nass werden, wenn sie ihren Badehosenanzug anzieht, an dem alles abperlt, und wenn sie sich dann in ihre furztrockene Badewanne legt, dann dämmert ihr's, dass das alles vielleicht eine Metapher für irgend etwas Existentielles sein könnte. Diese Seebildhaftigkeit macht ihr Angst, und so springt sie, wie von der Titanic gestochen, auf, öffnet alle Schleusen und ertränkt den Gedanken in einem sturzbachartigen Redeschwall, bis dass die Wanne unter der Sinnlosigkeit ihrer Phrasen auseinanderzubrechen droht. Zitternd versteckt sie sich dann hinter dem Toilettensitz und ist so verwirrt, dass sie sich die Flusen wieder in den Bauchnabel zurückstopft, während sie hysterisch „Du, die Wanne ist voll“ intoniert. Dort wartet sie ab, bis der Wörtersee verdunstet ist und sich als hundsgemeiner Schwampf über die Republik niedergeschlagen hat. Und wenn Mutti manchmal baden geht – dann denkt sie sich beim nächsten Mal einfach nichts dabei.

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